Das Buch: Texte die was keine Lieder geworden sind.

Reiss dich einfach kurz zusammen, hol deine ganzen Gehirnwindungen zusammen, bemüh dich zu denken, stell dir die Frage: »Wozu lebe ich?«
Regeln zum Glück
Halte einfach die Luft an, trau dich die Stille auszuhalten, so lange, bis es dir einschießt. Wenn du dich nicht gleich wieder vom neuen Werbespot einlullen lässt, stehen die Chancen gut, dass du dir die Antwort merkst. Du kannst es dir eventuell auch sicherheitshalber gleich aufschreiben. Oder pecken lassen.
Portrait
Thomas Andreas Beck, Liedermacher, Dichter und Autor, ist 1968 in Wien geboren und schreibt seit 30 Jahren Texte über in Österreich leidenschaftlich verdrängte Themen.
Als Liedermacher veröffentlichte er seit 2009 vier Alben – »Mei Herz brennt«, »Freude«, »Knistern« sowie »Stille führt« – mit denen er solo und mit Band durch den deutschsprachigen Raum tourte. 2003 erschien sein Buch »Ich lebe sterbe«, 2012 »Alles in die größte Kraft« mit komprimierten Erkenntnissen.
Er lebt und arbeitet in Wien und Breitenbrunn am Neusiedlersee.
Prof. Ernst Gehmacher/ Gesellschaft, Krieg, Angst & Glücksfindung
Film von Lukas J. Beck.
Darling, ich bin im Radio.

Konzertkritik München, von Alexander Kinsky.
»
Wenn Hannes Wader und Konstantin Wecker betonen, man solle den Holocaust nie vergessen oder totschweigen, um ihn, als Mahnmal im Bewusstsein der Menschen verankert, nie wieder zu ermöglichen, so bestätigt und verdeutlicht Thomas Andreas Beck dies mit seinem Bekenntnislied „Schaut´s hin“, die Gräuel des Krieges schonungslos aufzählend. Seine Sensibilität fürs Mitmenschliche, Mitfühlende und in Extrembeispielen Entsetzliches anklagend und erschütternd Herausstellende offenbart Thomas Andreas Beck in sehr persönlich gefärbten Beziehungsliedern und Liedern für nahe Verwandte wie die Großmutter und den Sohn, aber erst recht in denen mit existenziellen Themen wie Kindesmissbrauch, autoritäre Erziehung oder allgemeiner angesichts der Not in der Welt oder der erdrückenden Atmosphäre in der Großstadt. Wenn man dann aus einem weiteren Lied erfährt, dass sich der Großvater erschossen hat und wie der Enkel seine Fassungslosigkeit in Worte und Töne zu kleiden versucht, so geht das ganz extrem zu Herzen. Zusammen mit dem kongenialen Mitmusiker Tom Bayer (Gitarre und Percussion) versteht Beck es, die Lieder vielfach extrem emotional aufzubauen, zunächst fast unscheinbar ruhig, und dann zum Seelenaufschrei explodierend. Die sich steigern könnende Wucht erinnert durchaus an den jüngeren Konstantin Wecker, an die Momente des „Halt´s Mei, Faschist“ oder ans „Renn lieber, renn“, und wenn Beck in die Rolle des widerlich autoritären Vaters schlüpft an Weckers „D´ Zigeiner san kumma“ oder Gerhard Polts oberflächlich witzige und doch im Kern die Masken beinhart herunterreißende Analyse des Faschistoiden im Durchschnittsbürger.
Auf den Spuren des Nationalsozialismus in Österreich.
Gemeinsam mit einer Gruppe um die Zen Meisterin Anna Gamma begab ich mich auf die Reise. Auf den Spuren der Verbrechen das Nationalsozialismus in Österreich. Warum: Weil hin schauen, hin gehen hilft zu verstehen, unter welchen Bedingungen Menschen zu Horrortaten fähig sind – und was es daraus für unsere Gegenwart und Zukunft zu lernen gibt…
Leise, weil’s draußen so laut ist…
Wenn du in egoistisch dröhnenden Zeiten etwas zu sagen hast, kannst du panisch zu brüllen beginnen – oder still und zärtlich werden – wesentlich und ursprünglich. Singen statt nur sagen. Leise, weil es draußen laut ist, achtsam, weil die Gesellschaft brutal ist, liebevoll, weil’s so egoistisch zu geht. Jedoch nicht leise werden. Nur still.
Das neue Album „Stille führt“ ist fertig aufgenommen: Im Winter 2017 allein eingespielt in Tom’s Hut, Wienerwald, Österreich.
Die Leere wird kommen. Unaufhaltsam.
Deine Kreativität, deine Kraft, dein Feuer, deine Sehnsucht. Absitzen und Recht tun? Das hast du gelernt. Es ist nicht Meins. Es ist nicht Deins.
Lebe! Lebe! Gib Gas, trau dich zu dir zu stehen. Trau dich in die Revolution. In die Evolution. Verändere. Vertrau auf dich. Trau dich. Steh zu dir. Folge deiner Sehnsucht. Andernfalls wirst du zerfressen, zerfressen von deiner verhinderten Seele. Verhinderte Seelen können böse werden. Frustriert. Sinnlosigkeit frustriert. Zerstört selbst.
Weil ja der Lebensauftrag als solcher nicht verstanden wurde. Wozu also leben?
Den Auftrag erkennen. Mutig sein. Offen sein. Öffne dich. Steh zu dir. Deiner Agression. Deiner Sexualität, deiner Urkraft. Deinem Trieb. Treib es. So wie dein Herz es dir befiehlt. Nimm die Gülle die sich dir bietet. Und halte die Leere aus.
Die Leere wird kommen. Unaufhaltsam. Sie wird dich schütteln, verzweifeln, enttäuschen. Dich fordern, reifen, erkennen lassen.
Fünf Minuten nach Zwölf.

Soziale Klimakatastrophe. Das ist es. Wir? Mittendrin. Für mich ist gestern Mittag eine Ära zu Ende gegangen. Der Zeitpunkt hätte kein authentischerer sein können: fünf vor zwölf startete der ORF den Livestream.
Um Punkt Zwölf betrat das Team des Verfassungsgerichtshofs in seltsamen Kostümen und toten Tieren auf Schulter und Haupt den Saal – um uns fünf Minuten nach Zwölf in die Gesichter zu sagen, dass wir zu deppad sind einen Bundespräsidenten selbst zu wählen.
Uns in einer zu hundert Prozent auf law&order Art und Weise basierenden Arroganz abstrafen. Genau so theorie- und machtgeil, wie manche dieser Wiener Parksherrifs. Kein Millimeter Menschlichkeit. Nur Regel, Gesetz, Ordnung, Vorschrift. Bei Gericht gibt es keine Gerechtigkeit. Nur Urteile. Diese menschlichen Göttergestalten haben uns mit Mienen wie Henker – vor allem die Frau links neben dem Chef schaute drein wie bei einer Todesurteilsverkündung – voll eine in’s Bürgergesicht gewatscht. Und der Kanzler, der Bundespräsident, der Vizekanzler, der Innenminister bedanken sich Minuten danach für die Gestreckte Rechte mitten ins Gesicht. Das ist nicht meine Welt.
Das alles am Zeugnistag. Setzen, Fünf. Wir sehen uns im Herbst wieder. Dass ich am letzen Sonntag im Oktober mit Andy Holzer durch den Madagaskar Dschungel paddeln werde, sei mal Nebensache. Bis dahin gibt’s ja noch die Briefwahl. Noch.
Wer mich näher kennt, weiß, dass ich ein sehr frei denkender Mensch bin, mich grundsätzlich an Regeln und Gesetze halte – und dass ich – wenn ich mich vom System ungerecht schikaniert oder ausgebeutet fühle (Stichwort sadistische, sich in Hauseinfahrten versteckende Parksherriffs) mich unendlich aufregen kann. Sie auch mal anbrülle, Ihnen empfehle „sich endlich einen guten Job zu suchen statt hier so unnedich herumzuturnen.“ Und dann die Strafen zähneknirschend bezahl. E. Noch.
Wir müssen also neu wählen. Weil die FPÖ hirnrissige Missstände aufgezeigt hat. Jedoch nicht um des konstruktiven Aufzeigens Willen, sondern um dem Hofer doch noch eine Chance zum Sieg zu verschaffen. Sieg. Darum geht es. Macht.
Wütend bin ich auf die ex Innenministerin Mikl-Leitner, welche diesen katastrophalen Zustand zu verantworten hat. Denn die (UN)Fitness der Wahlbehörde und des Systems (Stichwort Schulung und Qualitätssicherung) fällt in ihre Periode.
Da war die mir – ohne das verheimlichen zu wollen – persönlich mehr als nur unsympathische HAK Lehrerin aus dem Weinviertel jedoch primär mit der Beschaffung ihrer seltsamen Schmuckstücke, schrillen Kostümen und NLP Floskeltrainings beschäftigt.
Menschenrechte, Menschenleben, Freude.

Der Tag danach. Irre heute unklar umher. Traurig und dann wieder staunend, gefasst. Ich kenne das – nach intensiven hohen Erlebnissen kommt das Tief. Das Nachdenken, Nachfühlen, Realisieren.
Gestern Donauinselfest, mein Auftritt auf der Bühne „Insel der Menschenrechte“. In der Früh munter geworden, mit den Nachrichten zum Ausgang des britischen Votums, zeitig in den Wald, dann Fahrstunde mit Sohn David. Programm proben – und durch die glühende Hitze der Stadt auf zur Insel.
Pünktlich rauf auf die Bühne, dem Bühnenmotto Tribut zollend mit „Der Schrei“ begonnen – dem Lied, welches mir während dem vorletzten Gazakrieg eingeschossen ist.
Zerfetze Menschen ohne Namen, alle san ma aus dem selben Samen.
Erstmals in reduziertester Besetzung, Keyboards und akustische Gitarre. Kein Schlagzeug, kein Bass, keine Einspieler. Zornig zärtlich. Ich fühlte mich so verletzlich wie noch nie bei einem Konzert – die Tschinnbumm-Musik vom benachbarten Kebabstand war während der stillen Passagen für mich verwirrend laut, die zum Festival strömenden Menschenmassen riesig. Diese für Openairs so typische Unruhe, die Bewegung der Masse, das Kommen und Gehen. Nichts ist Fix. Kaum Anhaltepunkte. Der Platz füllte sich, die ZuHörer wurden mehr und mehr, der Applaus glaubwürdig fest. Ich erkenne Vertraute in der anonymen Masse, halte mich an ihnen an und finde mich: Schaut’s hin.
Wohin geht die Angst, wenn wir sie verdrängen? Was passiert mit der Wut, wenn wir sie nicht benennen?
Seit Jahren singe ich das Lied, bei jedem Konzert. Aktuell wie eh und je. Leise kommt es noch viel kräftiger. Viel zorniger.
Plötzlich: Feuerwehrauto, knallrot und Sirene voll im Durchlauf. Fährt mit hohem Tempo rechts der Bühne vorbei, umrundet den Platz, weiter zum links von mir gelegenen Ufer der Neuen Donau. So laut, dass ich das Singen unterbreche und wir instrumental abwarten. Sirene ab.
Erste Schaulustige rennen los, immer mehr Leute hetzen in Richtung Uferböschung. Das Publikum teilt sich – in still mir Zuhörende und flüchtende Schaulustige. Die SPÖ Stadträtin Renate Brauner posiert mit einer Gruppe Jungsozialisten direkt vor der Bühne. Ihr knalliges Kleid fasziniert mich. Will mich auf meine Bühnenarbeit konzentrieren. Fällt mir schwer. Fange mich wieder. Applaus. Links und rechts schauen. Bernie und Flo anrufen. „Gut läuft’s.“ sagen.
Ich spiele mein neues, so stilles Lied „Die Stadt“. Fällt mir schwer die Konzentration zu halten. Fokussiere meinen Blick so weit es geht auf’s Publikum. Meine Aufmerksamkeit zieht’s aber unweigerlich zum Ufer. Polizei ist da, zwei Rettungswägen mit Sirene und Blaulicht. Polizisten riegeln den Ort ab, mehr und mehr Schaulustige strömen nach links.
Die Stadt ist heute voller Leben, jeder Blick a Konsequenz.