Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 1

Es ist

Großer
Fehler es ist
Leben
meiner Eltern
zu leben.

Große
Anstrengung es ist
Leben
meiner Eltern
nicht zu leben.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 2

Wasserloch

Tief im Wasserloch
höre ich die Schreie.
Im tiefsten Wasserloch,
so tief bis an die andere Seite.

Greif ich bis zum Anschlag
runter, soweit ich,
ohne wirklich nass zu werden,
hinunterreichen kann.

Fürchte mich, gebissen zu werden von ihren
kriegsgebiets­ausgehungerten Goschen,
fürchte mich, hineingezogen zu werden
in ihren Wahnsinn des Unmenschlich­bestialischen.

Da höre ich sie wieder, die Stimmen
aus dem Wasserloch,
schwer vernehmbar, doch je tiefer ich greife,
umso lauter werden sie,
als ob mein Eindringen die Ursache ist.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 3

Verwählt

Degenerieren uns
Generation für
Generation.
Schrumpfen uns
Einzelkind für
Einzelkind.
Verwählen uns
Angst für
Angst.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 4

Wie damals

Spendensammlung
freikaufende
Gewissen.

Empörungen
ersatzhandelnd
gehen Sie
weiter es
gibt zu
sehen.

Kriegsbilder
verdrängende
Ausreden
wie damals.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 5

Nur nicht

Zweifel soll dich
zum Verzweifeln
zwingen.

Bis du aufhörst
gegen dein Bewusstsein
gegen dein Herz
gegen deine Kinder
gegen deine Nahrung
gegen deinen Sinn
gegen die Gegend
gegen alles
nur nicht gegen den
Strom
zu
schwimmen.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 6

Sinnlos

falls du überlegst dich
auszuziehen
lass deine Bluse an
lass dein Leiberl an
denk nicht mal daran nachzudenken
überleg nicht worüber du dich bücken könntest
überleg nicht
bück dich dort wo du gerade bist
den Rest übernehme ich.

Thomas Andreas Beck - Der Keller is dem Österreicher sein Aussichtsturm - Kapitel 7

Mut und Feigheit

Mut und Feigheit.
Eine große Liebe.
Der eine wäre ohne die andere
vollkommen sinnlos.
Die eine wäre ohne den anderen
vollkommen unerkannt.
Mut und Feigheit.
Zwei Einsame
trefen sich,
verbinden ihre Schatten
und sind
gemeinsam
ungestüm und vorsichtig.