Nein. An Krieg gewöhne ich mich nicht.

Nein. An Krieg gewöhne ich mich nicht. Liegt es daran, ein Kriegsenkelkind zu sein? Beide Elternteile während des Krieges geboren, beide Großelternteile im Krieg involviert. Aufgewachsen mit dem großen Schweigen und einer Version der Geschichte, in der immer “die Anderen schuld“ waren, wir “die Guten“… Irgendwann war es mir nicht mehr möglich, diese Version zu glauben.

Spät aber doch begann ich, meine eigenen Wahrheiten zu suchen. Irgendwie chancenlos versuche ich seither „es wieder gut zu machen“ – mich auf der linken Seite des Lebens zu bewegen, immer mit dem starken Sog zur Mitte. Das war nicht immer so. Von Links aus zur Mitte hin ist es die rechte Richtung, die mich zieht. Dort war ich als Jugendlicher auch – in den Saufkellern der Rechten, rund um den wiener Reumannplatz, angestachelt vom Hass gegen alles Fremde, leichtes Opfer der Hetzer, denn ich war aufgewachsen im Bewusstsein, selber Opfer der Anderen zu sein. Irgendwann konnte ich so nicht weiter, irgendwann war ich so leer, dass ich nicht mehr da war. Was danach kam, was mich von dort – den Schlägereien, dem Kleinkriminellen und Unguten – wegholte, war reiner Zufall und Glück. Glück, neue Freunde zu treffen, selber zu Kicken statt als Rapid Fußballfanclub-Mitläufer in bestialisch brutalen Schläger-Horden durch den Prater zu ziehen. Eines Tages legte ich das mit Aston Villa Stickern und sonstigen Aufnähern zugepflasterte Jeans-Jilet zur Seite, die Grün-Orange Bomberjacke ebenso.

Eines Tages war es vorbei. Damals war ich etwa 15 Jahre jung. Das war mein Wendepunkt. Seither suche ich. Auch 40 Jahre danach, heute.

Krieg ist das massivste Krankheitssymptom der Menschheit. Krieg ist der triefend grausliche Eiter, Krieg ist unser immer wieder kehrendes Scheitern. Krieg ist der zu tiefst barbarische Versuch die in uns Menschen sitzende Liebes-Unfähigkeit zu lösen. Die Seuche namens „Egokrankheit“.

Bin ich selber der Krieg|| tief drin in mir|| zersetzt mich zerfetzt mich|| von innen die giftige Gier

Am 23.2.2022 las ich Noam Chomsky’s „Wer beherrscht die Welt?“. Begeistert zustimmend – seine Anklage und Warnung vor der Egokrankheit der USA. Vor den Gefahren der Überhöhung und Anmaßung einer universellen Wahrheit. Er warnt uns seit langem vor Klimakatastrophe, globaler Ungerechtigkeit und enormer Atomkriegsgefahr. Chomsky spricht mir aus dem Herzen. Am 24.2. überfällt Russland die Ukraine, am 25.2. spiele ich mein Konzert „Alles brennt“ in Wien. Am 17.6. – tausende Tote später – wirft Putin den USA und der EU sinngemäß vor, eine „universelle Wahrheit“ für sich zu beanspruchen – und die Ungerechtigkeit in der Welt zu schüren. Argumente, um Krieg zu führen. Um selbst das aufzubauen, was er bekriegt.

Und wir Österreicher, Europäer, Westmenschen? Wir duschen weiter warm. Mit russischem Gas. Wir führen uns als erfolgreiches Wirtschafts-Wohlstands-land auf. Mit russischem Gas. Nicht lange her, dass der Kurzzeitkanzler zur Klimawende sagte „Wir müssen uns nicht verändern, das macht die Technik für uns“. Mit russischem Gas.

Es erwarten uns schwere Zeiten. Egoismus und Stumpfsinn können wir uns darin nicht leisten. Es wird unsere größte Prüfung. Wenn die Antwort „Krieg“ ist war die Frage falsch.