Beck goes Hong Kong
27.052016 – 05.06.2016
Tag 01 | 27.05.2016 | VIE – Dubai
Allein Reisen. Ganz. Etwas anderes als zuletzt in die Antarktis.
Der wesentlichste Unterschied zwischen Antarktis und Hongkong ist, dass es diesmal eine Geschäftsreise ist, ich reise als Coach nach Asien, um dort den Team-Aufbau eines ursprünglich österreichischen Unternehmens zu begleiten.
Eine ganze Woche Workshops und Coachings – statt in meinem geliebten Wald – in der Großstadt, im Wolkenkratzer, in den Straßenschluchten, am Meer. Eine Gemeinsamkeit dieser beiden Reisen ist, dass mich der Weg wieder zuerst in die Hitze der Großstadt führt. Jetzt Dubai, damals war es Buenos Aires. Bloß bleibt’s diesmal heiß, in Hongkong warten 35 Grad Celsius und enorme Luftfeuchtigkeit auf mich. Dafür gibt’s dort Klima sei dank keine Gletscherspalten. Von denen habe ich bekanntlich für eine Weile genug…
Zu sagen „Ich reise in die Antarktis“ löste bei den Zuhören dieses neugierige Leuchten in deren Augen aus, der Satz „Ich reise nach Hongkong“ eher ein staunend fragendes „Steuerflucht?!“. Also ging ich dazu über, es nicht mehr so oft zu erzählen. Der Genießer schweigt ja bekanntlich. Würde lügen, wenn da nicht auch ein gewisser Stolz mitschwingt. Ich, der Selfmademan, der sich seit 20 Jahren selbständig, Tarzan gleich, von Liane zu Liane durch den Dschungel der Wirtschaft schwingt und Projekt für Projekt, Firma für Firma, Manager für Manager befriedigt, unterstützt, Drache für Drache, Schlange für Schlange, Krise für Krise besiegt. Immer auf Jane hoffend, denn im Grunde ist sie die Motivation für das Alles. Jetzt wurde ich gerufen, um zu helfen. Der Traum des erfolgreichen Coaches: International gefragt zu sein. Ooooooouuiiiuuuoooooohhhhuuhioooooh!
Schwarze Sternlimousine holte mich ab, das Einfamilienhaus muss eine Woche ohne mich auskommen, der Rasen wird hoffentlich vom Lehrlingssohn gezähmt. Sohn Lukas feiert in meiner Abwesenheit seinen Zwanzigsten, ohne mich, das tut mir schon leid. Wird er die Kerzen alleine verblasen müssen, Geschenk wird wunschgemäß überwiesen. I love Papasein.
Check in erledigt, rasch ein Paar Debreziner und großen Schwarzen. Kam grad gut, mein Sager zum Innenministeriumsuniformierten: „Ich flüchte aus diesem Land!“ – Er konnte bloß mitleidig schwitzend lächeln.
Für Dubai hab ich einen Essens-Gutschein für alle nur erdenklichen Fastfoodketten dieser Welt in der Tasche. Irgendwie sind’s alle so lustig, diese Menschen in der Businesswelt. Einige etwas übertriebene Liftings und chirurgische Eingriffe fielen mir bei der Dubai-Reiseschar auf, auch einige doch recht stark gefärbte Fönwellen am Kopf der 70plus Männer… Auf geht’s in eine mir fremde Welt. Am meisten freue ich mich auf den Anschlussflug nach Hongkong.
Der führt lange, lange drüber über Gandhis Heimatland. Indien. Ich überfliege dich heute Nacht… Kommt’s näher, kommt’s mit auf die Reise ins ferne Land.
Tag 01, Teil 2, 18:00*
Über dem Krieg – VIE-Dubai
Im Flugzeug. Luxus pur. Fliege mit Emirates. B777. Jedem seinen Wunschfilm, Polsterl, Decke, heiße Tücher. Gutes Essen, Sonderwünsche werden am laufenden Band von den Lippen abgelesen. Unsere Flugroute: Neusiedlersee, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei – überqueren im Nordosten Syrien. „Wir fliegen über Syrien?!?“ schreie ich mich innerlich an. Starre auf den Flugroutenmonitor. Es ist die verkehrte Fluchtroute, die Balkanroute, die wir in Richtung Südosten reisen. Dann weiter über Bagdad nach Dubai. „Wie krank ist das denn?“ – frag ich mich.
Je nach „Höhe über dem Boden“ sind wir also unterteilt in Bombenopfer, Soldaten und Flüchtlinge, ein paar hundert Meter höher dann in Kampfpiloten, Bomber, und Drohnenprogrammierer – und dann, so wie wir jetzt grad, in einer Flughöhe von 35.000 ft: die glücklich luxuriös Reisenden. Touristen, Geschäftsleute, Coaches. „Der Terror trifft den Westen an seiner größten Schwachstelle: Der Dekadenz.“ – fällt mir der Satz der deutschen Ex-Politikerin ein, als wir in der Antarktis über Terror, Krieg und Frieden diskutierten.
Mein asiatischer Sitznachbar schaut „Herr der Ringe“. Ich trink ein Heineken mit rotem Stern, mein Bauch spannt von der „Sticky Toffee Pudding“ Nachspeise. Jetzt gerade das Schwarze Meer erreicht. Immer noch in 35.000 ft. „Wie hoch schießen denn solche Bodenluftraketen?“ frag ich mich. Und lehne mich satt zurück. Mein Nachbar rülpst mir unzart ins Ohr. Seine Cola kommt ihm offenbar hoch. Damals in Peking, erinnere ich mich, haben die Taxler auch ständig gespuckt und gerülpst. Der chinesische Staatschef hatte dann während der Peking-Olympiade ein generelles Spuckverbot über alle Taxifahrer des Landes erlassen, weil er gecheckt hatte, dass diese ungustiöse Eigenheit das Image Chinas in den Augen (, Nasen und Ohren) der Westler schädigen würde. Andere Länder, andere Sitten. Womit ich mich wieder an die Oberfläche geblödelt hätte.
Bemühe mich, mir vorzustellen, dass ich mich jetzt, an diesem herrlichen Tag – gut bezahlt, verwöhnt und stolz – in luftiger, abschussicherer Höhe genau die Flüchtlingsroute entlang in entgegengesetzter Richtung bewege. Unter mir das Leid. In mir die Freude. Darf das sein?! Welches Verhalten ist – entsprechend meinem aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand – angemessen? Womit ist es Zeit aufzuhören, wofür ist es Zeit zu beginnen – und – was soll bewahrt, beibehalten werden!? Diese immer wiederkehrenden Dimensionen des Wandels: Beenden, Beginnen, Bewahren. Fakt ist: ich fliege.
Fakt ist auch: ich bin satt, wohlgenährt, gesund, geschickt, selbstbewusst, frei. Der Satz „Erst das Fressen, dann die Moral.“ kann mir jedenfalls keine Bestätigung für mein Verhalten liefern. Was ist Moral? Was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeit ist, wenn es für alle gut ist.
Was ist Verantwortung? Wo beginnt und wo endet meine individuelle Verantwortung, in einer global verbundenen Welt? Muss ich zu allem, worüber ich dank iPhone, Twitter, Facebook und CNN Wissen erlange, eine eigene Meinung entwickeln? Muss ich vielleicht sogar zu jedem mir bekannten Leid der Welt eine „gute Handlung“ setzen?!? Mir scheint, wir überfordern uns, wenn wir das tun.
Ich darf auch darauf vertrauen, dass jene Politiker und Aktivisten, welche aufgezeigt haben, als es um das Übernehmen der kollektiven Verantwortung ging, ihre Verantwortung auch in meinem Namen erfüllen. Dazu werden sie ermächtigt. Stell dir vor, jeder und jede Einzelne kümmert sich persönlich um jedes Problem der Welt!? Da ging es zu wie auf dem Fußballplatz, beim ersten Match der Miniknaben.
Mein Beitrag ist: Mein Mitgefühl. Und mein Schreiben. Ich schreibe, um mir Antworten zu erarbeiten – und: Um euch anzustecken, mit den Gefühlen der so gerne verdrängten, unangenehmen Realität. Euch zum Hinschauen und Hinfühlen einzuladen, um dann genau das zu tun, was für euch individuell stimmig ist.
Es ist mir nicht egal, hier privilegiert in der Komfortzone zu sitzen und vollgefressen über die mörderischen Gebiete des nahen Ostens drüber zu fliegen. Ich frage mich, was ich tun kann. Ich kann. Mitgefühl leben. Mitgefühl entfalten. Empathie erzeugen. Betroffenheit bewirken. In mir und in anderen. Das ist ein Teil meines Beitrages, meiner Verantwortung. Fragen zu stellen. „Wie kann es sein, dass wir unsere Herzen so verschließen, verhärten können?! So sehr, dass uns das Leid und sogar der Tod anderer Menschen kalt lässt? Wie weit ist es notwendiger Selbstschutz? Im perversesten Fall erfreut es jemanden sogar, wenn es wieder ein paar „eh nur Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht über’s Meer geschafft haben…“
Ich bin absolut überzeugt, dass „Mitgefühl leben“ ein gewaltiger Beitrag für die, jetzt gerade anderswo in der Welt leidenden Menschen ist. Als Gegenpol zum hartherzigen Egoismus. Es tut uns selbst am Besten, uns das Herz aufzureißen, den süßen Schmerz der Leidenschaft zu erleben und diesen kribbelnden Schauer der Nächstenliebe in uns zu spüren. Das Gefühl ist ähnlich dem Kribbeln, welches wir vom ersten Krügerl Bier her kennen. Oder vom ersten tiefen Zug vom Joint. Oder vom Sex. Wenn „es“ einfährt. Wer ein gesunder Egoist ist, bemüht sich mitzufühlen, hilft wo er gebraucht wird und verschenkt etwas. Tausendfach kommt das zurück. Auch – und besonders wenn – ich gerade selbst das Gefühl „zu kurz zu kommen“ hab.
Ich übe mich – jetzt über der Türkei und wenige Kilometer vor Syrien – darin, mein Herz offen zu halten und dankbar drüber zu fliegen. Über den Krieg. Mehr kann ich jetzt nicht tun. So wie damals, am Wiener Naschmarkt, als mir die Tränen einschossen. Weil ich im Kurier von den bombenzerfetzten Menschen in Gaza las. Der Text zu „Der Schrei“ war geboren, seither oft, oft, oft gesungen. Drei Jahre danach dann auch mitten in Palästina, Bethlehem. Live im Kinderhospital. Auch das kann ich tun: Hinfahren. Berühren. Aufzeigen.
„I wan für den Frieden, i wan für die Wöd. I wan für des Blut, des uns gemeinsam gehört. I wan die Tränen der Mütter und Täter. I wan für die Kinder, für die Opfer und Väter.“ Ein purer Aufruf zum Mitgefühl. „I lieb euch in die Knie, i umarm euch wie noch nie.“
Im Islam ist das höchste Gut die Barmherzigkeit, im Christentum die Nächstenliebe, im Buddhismus die Erleuchtung (das „Ende vom Leid“), für die Atheisten ist es die totale Freiheit, also das Glück. Effektiv gilt für uns alle das Selbe, wir streben alle nach dem Einen. „Wir gehen alle von unterschiedlichen Seiten auf den selben Berggipfel.“ – sagte der Benediktinermönch und Zen-Meister Willigis Jäger damals bei den Tagen der Utopie.
Was mein Beitrag noch ist?!? Ich freue mich. Über mich, über mein Leben. Meine Gelegenheiten, meine Fähigkeiten. Ich feiere mein Leben, voll und ganz. Mitgefühl zieht mich nicht hinunter ins Leid der anderen, sondern es weckt mich auf. Nährt meine Dankbarkeit und meine Präsenz. Nur wenn ich das schaffe, muss ich nicht aus Angst mich damit anzustecken das Leid der Anderen ignorieren. Nur wenn ich die Verantwortung über meine eigene Freude, über mein Glück selbst in die Hand nehme, brauche ich mich vor dem Leid der Anderen nicht mehr fürchten. Das Leid ist nicht ansteckend! Die Freude jedoch schon.
*23:17 Ortszeit Dubai: wir flogen knapp östlich von Syrien vorbei, über den Iran südlich bis hier her. Also stimmt die Geschichte geografisch nicht ganz, emotional jedoch schon.
Tag 02
Dubai | Hongkong | 03:08
Der Vorteil von Mc Donalds liegt auf der Zunge. Es ist vollkommen egal wo auf der Welt du gerade bist. Es schmeckt immer gleich schlecht und danach ist mir auch immer gleich schlecht. Manche Gutscheine sollten Schlechtscheine heißen.
Wäre ich mir nicht zu 100% sicher, auf einem Flughafen zu sein – ich würde schwören, dass dieser A380 ein Hochseeschiff ist. Sowas von groß! Zweistöckig – und so lang, dass du von ganz vorne in die Reihen geschaut die Gesichter der Hintensitzer nur noch als Pünktchen erkennst.
Irgendwie wächst mir die Technologie der Gegenwart über den Kopf. Wenn ich mir vorzustellen versuche, wie so ein Flieger von Menschengeist geplant und dann von Menschenhand gebaut wird. Jedes Detail, jede Leitung, jede Schraube, jede Niete, jedes Vakuumklo, jedes Fahrwerk, die Triebwerke, die Millionen (weltweit immer noch eigenhändig) senkrechtzustellenden Rückenlehnen und sogar die coolen (ebenso weltweit immer noch selber bei Start und Landung aufzuklappenden) Tischchen vor mir! Unfassbar, wozu wir Menschen im Stande sind, wenn es um Effizienz und Effektivität geht. Da kommt sogar in mir kollegiale Hochachtung vor jedem Flugzeugtechnikingenieur auf. Von nix kummt nix. Hut ab.
Bloß wenn’s um die Entwicklung von nicht tötender, Frieden stiftender Befriedungstechnologie geht, fällt uns Wunderwuzzis seit ewigen Zeiten nix ein. Was für ein blöder Zufall. Gerade da, wo wir Bomben und Raketenkriege verhindern könnten, sind wir mit unserer Innovationskraft am Ende. Killerdrohnen sind ja auch eher keine heilbringenden Friedensengel – sondern Soldatenroboter. Killermachines. Warum entstehen unaufhaltsam tötende Innovationen – und so gut wie keine lebensschützende?
Ich stell mir vor, was alles möglich wäre, wenn ein paar tausend kluge Ingenieure und Wissenschaftler (Ja, Ing. Norbert, diese können konstruktiv zusammenarbeiten) ihre Köpfe und Herzen zusammen steckten: Der waffenhafte Einsatz von Drogen ist doch ein guter Ansatz.
Stell dir vor, die gesamte Region rund um Syrien wird mit MDMA eingenebelt!? Zwei Wochen lang volle Kanne. Dauerbeschuss. Nach 15 Minuten würden sich Kurden, IS Kämpfer und Christen umarmen. Die Soldaten würden kübelweise Tränen vergießen, die Waffen niederlegen und endlich den Schmerz in ihren Herzen spüren. Assad tanzt vor lauter Freude Lambada und gesteht per TV Ansprache allen im Lande schluchzend seine Liebe. Er entschuldigt sich für’s Giftgas, verkündet seinen Rücktritt und bittet um Vergebung. Sie würden sich alle nackert am Boden wälzen, im Rausch der Glückshormone. Phantasieren von einer grenzenlosen Welt voller Respekt und unbekümmert spielender Kinder. Der Krieg ist vorbei, jetzt ist endlich Zeit für Friede und Liebe. Make Love, not war.
Während alle so arg drauf sind, sammeln wir gemeinsam die Waffen ein. Danach gibt’s einen weiteren weiträumigen Angriff, diesmal mit hunderten Tonnen THC. Zum beruhigen. Nicht ohne den landesweiten Abwurf von Erdkugel-Samenbomben voller Hanf. Die weiteren Schritte müssten wir uns dann gemeinsam überlegen, irgendwie wird schon alles gut gehen…
11:25 | Indien – China – Hongkong
6000 Kilometer von Westen nach Osten über Indien. Wundere mich selbst, wie ich in diesem Flugzeugsessel so gut schlafen und träumen kann. Ist wie Sitzmeditation, passend zu Indien. Jetzt: südlich am Mt. Everest vorbei. Da wo Andy zweimal umkehren musste, da wo vor wenig mehr als einem Jahr das verheerende, tausendfach tödliche Erdbeben war. Und vor zwei Jahren die tödliche Eislawine. Auch schon wieder vergessen.
7. Wochen. Solange dauert es angeblich, bis wir uns an neue Situationen, Katastrophen, Terrorattentate, Kriege, Wahlergebnisse gewöhnt haben und die Verdrängung einsetzt. Die Normalität wieder da ist. Die uns angeborene, geniale Fähigkeit zur psychischen Anpassung an die Umgebung fällt uns, wenn wir nicht hellwach lernend durch’s Leben gehen, voll auf den Kopf. Wir passen uns tendenziell nicht nur an förderliche, sondern auch an negative, destruktive Rahmenbedingungen an. Indem wir sie zur Normalität erheben. Das schützt uns einerseits vor Wahnsinn, Frustration und Unglück, andererseits akzeptieren und „vergessen“ wir dadurch viel zu sehr das Inakzeptable. Wir hören auf, uns mit den Erdbebenopfern solidarisch zu fühlen, drehen uns um und gehen unseren Weg weiter.
Um diesem Vergessen entgegen zu wirken wurden Rituale erfunden. Rituale holen immer wieder die Vergangenheit her, machen sie erneut erlebbar, schaffen Bewusstsein und öffnen für Weiterentwicklung, fürs Lernen. Ich fand es interessant, dass der neue österreichische Bundeskanzler Kern gleich zu Amtsantritt „wir brauchen Rituale“ sagte. Das fällt mir grad ein, während wir den Sinkflug auf Hongkong beginnen. 6 Stunden Zeitdifferenz zu Europa, Landung um 14:50 geplant.
Noch friere ich im klimatisierten Flieger, gleich atme ich die erste heiße Hongkongluft ein. Bin schon sehr neugierig wie es dort riecht…
Es riecht nach dicker Luft.
Tag 03 | 30.05.2016 | Hong Kong
Mein Flug über Türkei, Syrien, Iran, Irak. Meine Gedanken dazu, meine Gefühle und mein Appell an unsere Barmherzigkeit. „Ich glaub du steigerst dich a bissl eine. ;)“ schreibt Angela. Harald gefällt das.
Ja. Stimmt: Ich steigere mich. Hinein. Tief hinein in die Themen unserer Zeit. Statt hoch hinaus. Aus den Themen. Drüber hinweg. Tief versus drüber. Demut versus Hochmut. Betroffen statt ignorant. Wahrnehmend statt verdrängend.
Mitgefühl & Barmherzigkeit sind tiefe Themen, an der Oberfläche gibt es sie nicht. Ist auch in meiner Musik so. Keine Unterhaltung, sondern feste Berührung, Provokation. Anschreien, Aufschreien, Spucken statt Ducken. Zusammenprall der Gefühle, Gedanken und Meinungen. Tabuthemen auf den Tisch. Nicht jedem ist es recht, in seiner Freizeit beim Konzert mit Selbstmord, Impotenz, Krieg, Holocaust und Abtreibung konfrontiert zu werden. Wohl im Austausch mit Themen der Freude, Liebe, Sex, Vatersein, Selbstbewusstsein.
Genau so dürfte es Angela und Harald gehen. Es tut mir nicht leid, euch mit meinen Texten zu stören. Es interessiert mich jedoch schon, wie ihr mit der mörderischen Scheisse in unserer gemeinsamen Welt umgeht. Vielleicht schreibt ihr es ja…
Erster Arbeitstag in Hong Kong vollbracht. Im 22. Stockwerk des Büro-Hochhauses, kühl klimatisiert und 360° Ausblick über die Stadt. Wenn es zu meinem Wald, in dem ich so gerne arbeite, einen diametralen Gegenpol gibt – dann diesen. Ich war mir unsicher, wie ich samt Jetlag an so einem unnatürlichen Ort gut coachen kann. Wie es mir ohne meine vertrauten Wurzeln gehen wird, ob ich die für gute Gruppenprozesse hilfreiche, klare Präsenz und den Fokus hier aufbringen kann. Ich kann. Wir können.
Es hat schon etwas Erhebendes, mit lupenreinen Optimisten und VisionärInnen zu schaffen. Wenn das einzig relevante am Wort Problem das „Pro“ ist, steht es doch für „FÜR“ und nicht für „GEGEN“. Es verblüfft und begeistert mich zu erleben, wie eine Gruppe doch recht junger Menschen in Österreich die Zelte abbricht und hier in Asien neu beginnt. Sinnvoll, kraftvoll, lösungsorientiert und – last but not least – durch und durch von Freude getrieben. Sich „nix scheissen“ und los ziehen. Die Blicke nach vorne und nur ganz kurz zurück richten.
Dass ich das Team nun auch hier begleiten darf taugt mir. Das ist einerseits eine Bestätigung meiner bisherigen guten Wirkungen auf sie und – andererseits – auch für mich ein kräftiger, inspirierender „kick in the ass“ mich aus meiner regionalen Komfortzone heraus zu bewegen.
Kommt noch dazu genau zur richtigen Zeit, dieser Anstoß: befinde ich mich doch wieder mal in einer meiner berühmten, 7 jährigen Neuerfindungsphasen.
Nein sagen wäre einfacher gewesen, langweilig wäre mir diese Woche in Wien auch nicht gewesen – doch ich hatte da von Anfang an diese Ahnung. Ich ahnte, dass Hong Kong für mich nach der Antarktis eine gute Fortsetzung sein kann. Um dann im Oktober wiederum mit Andy Holzer nach Madagaskar zu reisen. Ja, liebe Angela, lieber Harald: nur jammern und in die Kriege und Schicksale der Hunderttausenden Flüchtlinge Reinsteigern wäre wohl ein Schas. Ich kombiniere meine Tieftauchgänge in das Leiden unserer Welt jedoch mit ausreichendem Lebensgenuss. Sinnloses brauche ich auch, bewege mich zwischen den Polaritäten „Ernsthaftigkeit & Vergnügen“… Die beiden ergänzen sich kongenial.
Und ja! Ich lebe ein Luxusleben, mir geht es privilegiert gut, ich gehöre sicher zu der Minderheit der überernährten, sicheren, sorglosen Weltbevölkerung. Ich garantiere euch beiden aber auch, dass ich nur deshalb so genussvoll schlemmen kann, weil ich mir beide Seiten der Medaille voll gebe.
Es ist sinnvoll, das Sinnvolle mit dem Sinnlosen zu verschmelzen. Dann kracht das Leben erst so richtig. Dann hat alles Lack!
Coaching in Hong Kong. Da bin ich also. Diese Stadt ist frei von Problemen, kommt’s mir in den Sinn. So gut wie steuerfrei lockt die Metropole Geschäftsleute an wie Motten das Licht. Dafür sind hier die Finanzströme besteuert. Hier gibt’s das, was Europa gelangweilt und halbherzig plant: Die Finanztransaktionssteuer. So gut wie alle Gebäude privatwirtschaftlich errichtet. Hat was laborhaftes hier, natürlich auch diesen süßlichen Geruch von Steuerflucht. Die Schattenseiten und Abgründe unseres Weltwirtschaftssystems schlagen wo anders auf. Nicht hier. Womit wir von den Kriegsflüchtlingen bei den Wirtschaftsflüchtlingen gelandet wären. Aber das ist eine andere Geschichte – will mich nicht hineinsteigern und euch hier mit Wirtschaftsethik langweilen.
Kennst du den: „Was werden sie studieren, junger Mann?“ Fragt der Professor den angehenden Studenten. „Wirtschafts-ethik“ antwortet er. „Da werden sie sich wohl entscheiden müssen, junger Mann!“ sagt er.
Im Zug vom Airport ins Zentrum läuft der Film über die „Smart city Hong Kong“ – wird mir sofort und schlüssig erklärt, wie die Stadt der Zukunft sich organisiert, wie die Energie- und Rohstoffressourcen intelligent vernetzt werden, wie Toiletten den Stoffwechsel der Menschen automatisiert protokollieren und die Daten ans Gesundheitssystem überträgt. „Das will ich aber nicht! Mein Stuhlgang geht nur mich was an.“ denk ich mir. Und wie „Smart city“ mit Millionen Klimaanlagen zusammen passen soll leuchtet mir auch nicht ein…
Sprache durchgängig Englisch, lauter fesche Leute hier. Viele halb nackig, wegen der brütenden Hitze. Die Röcke meist kürzer als die Arbeitstage. Mann und Frau arbeiten tagsüber, ab jetzt – 18:00 Ortszeit – füllen sich die Bars. Ganz viele Tesla, gelbe Porsche und sonstige Maseratis auf den Straßen. Viele kleine Hundis an der Leine, ich deute das als Hinweis auf eine beachtlich hohe Singelrate. Das Hotelzimmer ein Wunderwerk der effizienten Raumnutzung. Die Lokale stylish und top organisiert.
Jetzt: Schwüle, feuchte 34 Grad, ich sitz im Schanigarten des Restaurants gegenüber dem erwähnten Büroturm. Mein zweites „After work Bier“ ist grad gekommen. Team checkt noch Mails. Mann im schwarzen Anzug, weißes Hemd und Krawatte setzt sich gegenüber. Schwitzt keinen Tropfen Schweiß. Wie geht das? Frag ich mich…
Tag 04 | 31.05.2016 | Hong Kong
Stille führt. Mitten drin, zwischen pulsierendem Verkehr und hektischen Menschen. Ein altes Haus, keine 2 Stockwerke hoch. In dieser für China so typischen Bauart.
Intensiver Geruch von Räucherung dringt auf die Straße. Die Managerin und ich – gemeinsam am Weg zum Coaching – auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Um dort in Ruhe reflektieren zu können. Gehen nichtsahnend vorbei an diesem Gebäude. Magisch zieht es uns rein in den buddhistischen Tempel. Still sind wir. Still ist es drinnen. Eine Frau im Businesskostüm steht stramm vor einem mit hunderten Räucherstäbchen bestückten Altar mit Buddhastatue, faltet ihre Hände, verneigt sich schnell. Dreht sich nach rechts, zum nächsten qualmenden Altar und wiederholt das Ritual. Sie dreht sich zum Ausgang und geht. Raus auf die Strasse, wohl zum nächsten Termin.
„Ich hab meinen Wald gefunden“ – denke ich mir. Bewege mich staunend langsam durch den Tempel, staune und staune. Von der Decke hängen riesige Räucherspiralen, qualmen vor sich hin. Jede einzelne glüht bis zu einer Woche lang, die daran hängenden, roten Zettel kennzeichnen angeblich, wer der edlen Spender des Rauchwerkes ist.
Tosend still ist es hier. Ich bemerke plötzlich wieder, dass ich atme. Dass mir die Beine weh tun und ich durstig bin.
Tag 05 | 01.06.2016 | Hong Kong
Nicht weit genug weg um nicht zu erfahren, dass in Hitlers Geburtsbundesland ein Flüchtlingsheim abgefackelt wurde. Aus der Distanz heraus betrachtet: Österreich, es ist höchste Zeit für radikalen Wandel.
Tag 06 | 02.06.2016 | Hong Kong
Müde. Aber zufrieden. Eine ganze Woche Teambuildingcamp. Hier in der großen Stadt. Jetzt noch zwei Tage privates Programm, bisher konnte ich kaum auf Entdeckungsreise.
In mir entfaltet sich langsam aber sicher eine Facebook Allergie. Mir geht der Spaß daran verloren. Was als Spaß machendes Medium gedacht war, als sinnvolle Software, die uns einen Cyber Vergnügungspark bieten sollte, wurde ein Irrenhaus mit offenen Türen.
Parteien und Firmen haben den ehemals sympathischen Raum für sich okkupiert, schalten Werbeanzeigen um uns beim Spielen mit ihren Werbungen und Hass Botschaften zu erwischen. Manipulierende Falsch-Nachrichten verbreiten sich wie Geschlechtskrankheiten. Streithanseln befetzen und bedrohen sich. Der ORF verbreitet Bilder mit News. Die Linken gegen die Rechten. Keine Diskussion – vor allem Rechthaberei. Kommunikationssteinzeit. Der neue SPÖ Kanzler lässt seine Agentur Fotos und Videos mit Erfolgsbotschaften einblenden, ich selbst vermarkte meine Konzerte hier. Schreib meine Geschichten – weil’s für mich bequemer ist – auf Facebook statt auf meinem Blog.
Ich merke, dass es mich nicht nur nicht glücklich macht – sondern meinen Spirit vergiftet. Ich stecke mich an, mit diesen sich ewig um sich selbst herum drehenden Diskussionen, Likes, sharings und Kommentaren. Die lieb und gut gemeinten „Leb dein Leben positiv“ Postings schätze ich sehr, Dalai Lama Zitate und Videos mit in die Klomuschel stolpernden Tollpatschen amüsieren mich. Bin natürlich ein wesentlicher Teil davon, kein Opfer. Brauch es aber nicht.
Dann sind da die Schattenuser, das sind jene etwa 95% hier auf Facebook, die sich auf’s Beobachten, auf’s stille Mitlesen spezialisiert haben. Lesen ständig was manische Facebooker wie ich einer bin schreiben – würden sich jedoch nie im Leben durch ein like oder gar einen Kommentar zu erkennen geben, posten vielleicht ab und zu ein Katzenfoto. Manche von ihnen kommen mir wie Stalker vor. Sie konsumieren ohne zu geben, lesen alles mit und loggen sich in dein Leben ein – natürlich nur ermöglicht durch’s eigene, freiwillige Preisgeben. Exhibitionismus trifft Spanner.
Vor elf Jahren war ich so stolz darüber, den Fernseher aus meinem Haus geworfen zu haben. Die Entgiftung geschafft zu haben und dadurch wieder deutlich mehr zum Lesen gekommen bin. Und jetzt: Daueriphone.
Mein Rückzug von hier hat begonnen. Facebook tut nicht gut.
Tag 07 | 04.06.2016 | Hong Kong
Ich danke euch für die hunderten persönlichen Nachrichten, Mails. Meine Ankündigung des Facebookrückzuges hat viele von euch schockiert. Nur wenigen war es egal. Es war mir nicht bewusst, wie aufmerksam meine Texte gelesen werden, dass ich so vielen Menschen Mut mache, aufrüttle, bestärke und zum Nachdenken bringe. Ich lass mir meine Entscheidung nochmals durch den Kopf und Bauch gehen. Ist ja sehr ähnlich der Situation mit meiner Musik: so viele stehen drauf – davon leben geht sich nicht aus.
Apropos Geld und davon Leben können. In Hong Kong trifft sich die Geld verdienende „Elite“ der Welt, macht Geschäfte, reguliert Finanzen, lebt klimatisiert auf hohem Niveau in großer Hitze. Es ist eine egoistische Stadt, eine Stadt des Reichtums und des wirtschaftlichen Erfolges. Je nachdem, wie Erfolg definiert ist. Nachhaltigkeit und „Social business“ spielen hier keine Rolle. Es ist eine Stadt der Schönen, Reichen und Problemlosen. Spätestens an dieser Stelle des Schreibens muss ich mich entscheiden: Angriff oder Kooperation.
Der Angriff wäre das Einfachere für mich: globaler Turbokapitalismus und Hedge Fonds sind schuld an den Kriegen und Leiden der Welt, die „Maden im Speck“ haben Millionen Tote auf dem Gewissen, Geld verbrennt den Charakter, Egoismus ist der Krebs der Menschheit. Alle Menschen hier sind gierige, hochmütige Feindbilder. Hong Kong ist der Teufel. Wir müssen endlich was dagegen tun.
Oder: Die Kooperation. Gelingt mir auch, nicht ganz so einfach wie draufschlagen und anprangern. Doch ich schaffe das: Ganz ohne draufhauen allerdings doch nicht. Ich beginne bei Österreich. Je weiter und länger ich von meiner Heimat entfernt bin, desto ärmlicher und stumpfer, degenerierter wird das Österreichbild in mir. Wir vergeuden einen gewaltig großen Anteil unserer Aufmerksamkeit und Willenskraft darauf, das Bestehende zu verteidigen, zu bewahren. Wir betonieren unsere Positionen ein und kämpfen dann bis zum Umfallen um’s Rechthaben. Das gilt für alle Lager. Auch oft am Arbeitsmarkt. Wir scheissen uns eifersüchtig und kleingeistig egoistisch ständig wegen unserer Gartenzäune, Thujenhecken, Kulturwerte und Arbeitsplatzsicherheit an, träumen kollektiv vom Glück im Einfamilienhaus und spekulieren auf die gemütliche Pension mit Luxus-Wohnmobil. Viele von uns wissen auch schon, wo sie mal begraben sein werden und haben sogar den Stein schon besorgt. Die Verwaltung fickt mich als Unternehmer täglich, kaum bin ich erfolgreich und freu mich über Geld am Konto – schon steigt linear die Abgabe. Das geht mir nicht nur auf die Eier, es verhindert auch, dass ich ausgelassen feiere, mir in einer Nacht 5 Cocktails reinstelle, vorher fein essen gehe, meinen Mitarbeitern eine fette Prämie in die Hand drück – und diese auch eine Nacht lang feiern. Oder mit ihrer Familie einen verdienten Urlaub buchen. Und somit die eigene Wirtschaft ankurbeln würden.
Womit ich bei Hong Kong bin. Würden sich die Regeln der Weltwirtschaft ändern, zum Beispiel in Richtung globaler Fairness, lenkende Rohstoffbesteuerungen, Aufwertung der Mensch-Arbeitsleistung, Abschaffung von Lebensmittelspekulationen,… die Menschen hier würden sich blitzschnell daran anpassen, sich neue Wege ausdenken, ihre Visionskräfte aktivieren und Neues erschaffen. Manche würden sicher weiter ziehen, nach Indien, China, Taiwan oder Shanghai – kaum jemand jedoch nach Österreich. Hier kommen die mutigen, unternehmerischen, konstruktiven Menschen zusammen. Hoch flexibel am Arbeitsmarkt, wollen dabei sein und bilden sich diszipliniert aus. Bewerben sich für Ihre Traumjobs, gründen Firmen, stecken Niederlagen weg, fallen hin, richten sich ihre Kronen und stehen wieder auf. Natürlich idealisiere ich da jetzt, doch: mir sind viele, viele solche Menschen begegnet. Habe Vorstellungsgespräche miterlebt. Beobachtete tausende Typen auf den Straßen, in Lokalen, an Rezeptionen, in Restaurants, Geschäften und in Taxis. Alle verbindet eines: sie sagen JA.
Ja zu dem, was ihnen begegnet. Ja zur Arbeit, ja zur Chance, ja zur Idee, ja zum Schaffen, ja zum Erfolg! Und: sie sagen JA zum Risiko, ja zum möglichen Scheitern, ja zum Ausprobieren. Und – am stärksten: sie sagen JA zum Leben, zum Augenblick und dazu, dass die Erde eine Kugel ist, kein Schuh, so platt wie eine Palatschinke.
Das alles erzeugt das, was wir uns alle so sehr wünschen: Schönheit und Lebensfreude. Da war gestern dieser Techniker aus Taiwan, der mit wie Sterne funkelnden Augen in enormem Tempo erzählte, dass er mit seinem Team Sensoren für die Smartphoneproduktion entwickelt – und, dass er bald nach Indien weiter ziehen wird. „Indien is coming up, it’s good to go there“ – dann lacht er, trinkt, küsst seine Frau. Oder der bärtige Typ neben mir im Hardrock Cafe. Deutscher, seit 4 Jahren in China. Autoindustrie, Speziallösungen für Sitzbezüge. Er will hier bleiben. „Was da zu Hause gesellschaftlich abgeht ist ja unerträglich. So viel Kleingeist.“ sagt er. Oder mein Schulfreund Harry, seit 12 Jahren Manager in China, hat mich gestern besucht: „Die Industrie verändert sich. Es geht ganz Richtung Assembling, die Teile mit Qualitätssicherung fremd fertigen lassen und dann kontrolliert zusammen bauen. Sich auf die Kunden konzentrieren. Jeden das tun lassen, was er am besten kann. Eigene Fabriken für alles baut hier kaum noch wer. Es ändert sich.“ Innovation an jeder Ecke.
Was ich hier lerne, erlebe: Die Rahmenbedingungen ziehen an. Es ist nicht das Klima, nicht die Sprache, nicht (nur) die geografische Lage. Es sind die Rahmenbedingungen für „JA Menschen“. Für freiheitsliebende, risikofreudige, anpackende, Visionäre. Für willensstarke Lebemenschen. Für Unternehmer und Vernetzer.
„Heiß umfehdet, wild umstritten, liegst dem Erdteil du inmitten“ – das würde für uns Ösis ja schon mal ganz gut passen. Wieso stehen diese Zeilen in unserer Bundeshymne? Liest das wer? Könnten wir ja verwenden, um uns neu zu erfinden, zu öffnen, weltweit zu positionieren. „Raus aus der EU, Unternehmenssteuern dann auf Null setzen, wenn die Gemeinwohlökonomie-Bilanz passt, Finanztransaktionssteuer rauf, bedingungsloses Grundeinkommen für alle – finanziert durch dieses clevere System.“ Darf ich das denken? Ja ich darf. Gerne mit der EU, dann muss aber dringend ein europäischer Bewusstseinssprung passieren. Du darfst. Im Weg stehen wir uns nur selber. Mit unserer dauernden Zurückschauerei, Rechthaberei und dieser unerträglichen Ängstlichkeit.
Ein Land, das zu 50% jemanden wählt, der ihnen die Ängste widerspiegelt und ihre Bunkermentalität anspricht – und die anderen 50% einen Kandidaten wählen, um diesen zu verhindern – hat ein riesen Problem mit sich selber. Nicht die Hunderttausenden, die via Völkerwanderung zu uns strömen sind die Ursache unserer Probleme – sondern die Tatsache, dass wir viel zu feig, unvisionär und ewiggestrig sind. Es ist höchste Zeit.
*) Anmerkung: die 50, VDB WählerInnen haben natürlich auch andere Gründe als die Verhinderung vom Ing. gehabt. Ohne dieses Verhinderungsmotiv wäre Ing. jetzt allerdings BP.
Tag 08 | 05.06.2016 | Hongkong – Dubai – Wien
Heimreisen haben so was ganz Besonderes an sich, in sich. Mir kommen da immer diese Gedanken an meine engsten Freunde, meine Söhne. Vorfreude, sie bald wieder abbusseln zu können. Und da ist immer diese Lust auf neue Projekte. Eigentlich immer schärfen sich während meiner Reisen Ideen zu Projekten – oder es wird mir klar, dass ich sie fallen lassen soll. Spätestens wenn der Sinkflug einsetzt spür ich, dass wieder etwas rund wird. Jeder Tag mehr, einer weniger.
Was mich aktuell beschäftig: Wie geht’s weiter? Nicht weil es schlecht läuft, sondern weil es wieder mal Zeit ist die Zelte abzubrechen und Neuland zu betreten. Komfortzone verlassen. Immer wieder die Antwort auf die folgende Frage finden: „Ist mein Verhalten – entsprechend meinem aktuellen Wissenstand und Bewusstsein – angemessen!?“
Meine aktuelle Vision ist, meine vielen Aspekte zu verschmelzen. Den Coach, Berater, Künstler, Techniker, Manager, Verkäufer, Mann, Vater, Waldmenschen, den Freund und den Aktivisten. Mich gar nicht mehr teilen zu müssen, immer „Der Eine“ zu sein. Ganz zu fokussieren. Was alle Felder gemeinsam haben: Es geht um den Umgang mit Macht und darum, die „Gute Entscheidung“ zu treffen.
„Macht“ bedeutet, auch gegen den Willen anderer entscheiden zu können.
Dazu will ich ein Buch schreiben. Diese Vision verändert meine Beziehung zur Bühne, mein Coaching-Geschäftsmodell, meinen Kleiderschrank, meinen Kunden- und Projektfokus, meinen Lebensstil, mein Budget, meine Kunstwerke.
Wartezeit in Dubai. Die ganze Situation hier im Airport-Transferbereich hat etwas von OP Saal. Menschen aller Hautfarben liegen dösend und verrenkt auf durch Armlehnen absichtlich unbequem gemachten Bänken, kauern am Boden, laden ihre Smartphones auf, gähnen oder hetzen panisch zu ihren Gates. Ortszeit 05:45 – vier Stunden Zeitverschiebung zwischen Hong Kong und Wien hab ich schon aufgeholt. In 3 Stunden heben wir wieder ab, um über den Iran nach Norden zu fliegen, am Irak und Syrien vorbei über die Türkei Richtung Schwechat. Und nein: ich schreibe jetzt nicht schon wieder über den Krieg und die Flüchtlinge da ein paar tausend Meter unter uns. Ich freue mich auf daheim, meine Thujenhecke und den frisch gemähten Einfamilienhausgartenrasen.
*) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Polemik
P.S.: Ankunft in Leopoldsdorf. Der Rasen wurde nicht gemäht.