Babsi’s Treppenlift

Dr. Babsi Brunbauer (1958-2020)

Zwölf Stufen. Es war ein großer Sieg für sie. Jahrelang dauerte der Kampf. Am Ende setzte sie sich durch. Babsi bekam: Einen Treppenlift. Ihren Treppenlift. Niemand in diesem eleganten Zinshaus im siebenten Wiener Bezirk, außer ihr, brauchte so ein hässliches Ungetüm. Zwölf Stufen, welche ihr die Welt verbarrikadierten. Dieser Treppenlift erschloss ihr die Welt, machte den Weg frei zu ihrem geliebten Café Ritter, zu ihren Kunden und Freunden. Er befreite Babsi aus ihrer Abhängigkeit »in’s Freie getragen werden zu müssen«. Dieses Ungetüm brachte sie unabhängig(er) nach Hause, in ihr geliebtes Betterl. Auch dann, wenn ihre ständig wechselnden, persönlichen Assistenzen zart und nicht stark genug waren, sie und ihren Rollstuhl über diese zwölf Stufen zu heben. 

Wenn ich nicht mehr weiterwusste, wenn Probleme zu groß und komplex waren, wenn meine Angst zu groß oder meine eigene Weisheit am Ende war – Babsi war für mich da. Wenn meine Freunde Hilfe brauchten, weil sie sich im Stockdunkeln verirrt hatten und auch ich nicht mehr den Lichtschalter fand – Babsi war für sie da. Wenn ich meinen Söhnen ein »guter Vater« sein wollte, aber nicht wusste wie – Babsi war für mich da.  Wenn mein Kunde wissen wollte, wie es ihm gelingen kann, noch mehr jungen Menschen eine Chance und Lehrstellen zu geben, ich mit meinem Latein am Ende war – Babsi war für uns da. Wenn ich einfach mal wieder plaudern wollte, reden über die Welt, die Politik und uns Menschen, mit Maki und Kaffee am Schreibtisch – Babsi war für mich da. Als ich den Uni – Lehrauftrag bekam, ohne zu wissen wie ich das schaffen soll – Babsi war für mich da.

Immer war Babsi für mich, für uns da. Und immer gab es viel zu lachen, viel zu denken, viel zu lernen. Weil immer diese Neugierde da war, gepaart mit unbändigbarer Liebe. Mit purerer Freundschaft. Ihr Körper konnte sie nie wirklich bremsen. Ihr Geist konnte immer alle und alles verstehen, ihre brennende Seele war eine »ständig Liebe pumpende Tankstelle« für sie selbst und für uns alle.

Babsi verstarb – zehn Jahre älter als ich – während des »Corona-Lockdowns« ohne sich in diesem Leben auch nur ein einziges Mal aus eigener Kraft bewegt zu haben. Unbesuchbar einsam im Spital. Sie starb nicht an diesem Virus, sie starb während diesem Virus. Ich konnte mich nicht von ihr verabschieden, kaum jemand konnte liebevoll »Bis bald, Babsi« zu ihr sagen, niemand von uns konnte sie an diesem Abend müde »nach Hause« bringen. Sie musste diese zwölf Stufen ein letztes Mal allein hinauf. Das hinterlässt einen wahrscheinlich ewig stechenden Schmerz in meiner Brust. Gepaart mit riesengrosser Freude und ebenso ewiger Dankbarkeit für jeden einzelnen, gemeinsamen Moment.

Sie würde jetzt wahrscheinlich in ihrem unverwüstlichen Optimismus schreiben:
Coraggio, ci vediamo!
(Nur Mut, wir sehen uns!)

Was bleibt, ist ein Denkmal:
Ihr Treppenlift, wem auch immer der gehört.