Und wenn du mich nicht begehrst, dann verlasse ich dich.

Österreich streitet. Wie geil ist das denn?! Rot blaue „Nein“ Profilbilder, Aufschreie, Jubelpostings, Liebesaufrufe, Solidarität, „Sage Nein – Konstantin Wecker“ Videos an den Pinwalls, Wertediskussionen und reihenweise gelöschte „habe mich von allen Ausländerhetzern hier getrennt“ Ex-FacebookfreundInnen…

HC feiert auf seiner Seite schon den FPÖ Wien Sieg, seine Wahrsagerin poliert die Glaskugel. SPÖ Mitglieder treten aus der Partei aus – für den Fall, dass im Burgenland die Links Rechts Koalition kommt. Unsympathische FPÖ Demonstranten demonstrieren ihre Herzverhärtungen vorm Erberger Flüchtlingsheim, Hunderte schauen hin – auf der anderen Straßenseite, die Polizei trennt die Lager. Da fällt mir der Ausruf des hochrangigen Polizisten ein, live gehört, bei der letzten Antiburschenballdemo: „De Linken mochn an Schuach! Es geht los.“ Wenige Meter entfernt spielt Julian Le Play ein Konzert der Herzen – vor Tausenden die das Herz Zeichen mit beiden Händen formen. Das absolute Gegenteil zum Hitlergruss.

Warum ich das alles gut finde? Weil wir endlich politisch statt nur idiotisch sind. Weil wir endlich streiten. „Streiten bis es gut ist“ steht in der Bibel. Ich fragte mich heute – erst nachdem ich das „rotblauNEIN“ Profilbild als Statement zu meinem Gesichtsbuch-Profillogo gemacht habe – ob wir nicht alle eher zum Demokratie – „Rosinen picken“ neigen? Solang es so läuft wie wir wollen ist die Demokratie klass, wenn’s mal nicht nach unserem Ego und Willen geht schaut’s schnell anders aus. Die Demokratie lebt vom Dialog, vom Streit, vom immer ein bissl utopisch bleibenden Versuch, die Gegensätze gerecht zu vereinen. Ich kann mir nicht und nicht vorstellen, dass die Werte und das Meschenbild der SPÖ mit dem der FPÖ auch nur irgendwie vereinbar sind. Deshalb mein Nein.

Ich fürchte mich NICHT vor wieder aufmarschierenden Nazis in unserem Land. Ich weiß, dass wir unsere Lektionen grundsätzlich gelernt haben, ich weiß, dass die Mehrheit der ÖsterreicherInnen das Herz am rechten (richtigen) Fleck hat. Ich weiß, dass ich nicht allein da stehen würde, wenn die Grenze überschritten wird. Wir sind mutig und grundsätzlich „gute Menschen“…

Wir sind ein liebevolles Volk. Mit vielen Ängsten und einer etwas eigenartigen Mentalität. Wir spannen den Bogen immer so weit es sich grad noch ausgeht. Und wenn’s ernst wird halten wir zusammen. Wir haben aus dem Wahnsinn der Weltkriege gelernt. Der Führer funktioniert zwar noch als Aufhetzer, als Klassensprecher der Unzufriedenen, der Unmündigen – aber nicht mehr als „unser Einer Alleiniger Führer“. Ich fürchte die FPÖ Wählerschaft nicht. Irgendwie mag ich sie sogar, in dieser vorpubertären Revoluzzer Energie…

Ich freu mich darüber und drauf, dass ihr euch jetzt alle zeigt. HC an erster Stelle. Falls er wirklich – zB in Wien – an die Macht kommt, wäre er an seinem größten persönlichen Ziel angelangt, euphorisch aber sehr müde. Und er feiert den Anfang seines sehr sehr schwierigen Jobs so, als ob es das gewonnenen Finale wäre. Darauf freu ich mich. Weil dann geht’s erst los. Seine Wahrsagerin „Frau Tina“ wird ihm dann für läppische und steuerlich abschreibare 6.000,– die Lösungen für unsere Heimat channeln. Die Einzigedie Frau ihn versteht.

Claudine Nierth sagte 2011 auf den vorarlberger Tagen der Utopie: „Und wenn du mich nicht begehrst, dann verlasse ich dich. Deine Demokratie.“ – genau darum geht’s. Es geht wirklich um die Wurst, nicht um die Conchita, sondern um die echte Wurst. Demokratie oder Ignorantenstadl. Arsch heben. Hirn einschalten. Herz aufreißen. Dialog suchen. Streiten bis es gut ist. Für Frieden, Liebe.